<<Hallo Alfons,
das ist wirklich eine sehr freudige Überraschung. Natürlich bin ich einverstanden und tatsächlich bin ich auch stolz, auf Eurer prima Seite vertreten sein zu dürfen. Inzwischen habe ich schwedische
Freunde auf Eure Seite hingewiesen, damit sie sich ein Bild von Altona und vom Krieg machen können.
Zwar zeigt sich gerade mal wieder, wie wichtig Liebe in der Menschheit wäre , aber Tierliebe ist mindestens so bedeutsam. Früher hing ich sehr an Möhrchen, über die die ich ja im Buch schreibe, jetzt
ist es Malte, ein sogenannter Baumwollshund, (Coton de Tulear), ein sehr treuer wasserscheuer Hütehund. Er ist ungefähr so alt wie ich( 76), aber wesentlich besser zu Fuß /Pfote. Doch viel Schlaf
braucht er auch.
Beste Grüße an Dich und Uwe
Martin
Die Viertklässler der Schule Iserbrook gehen nun wohl mit einem ganz neuen Gefühl über ihren Schulhof,
nachdem sie von mir hörten, was ich in ihrem Alter erlebt hatte – in den vierziger Jahren des letzten
Jahrhunderts. Für sie liegt die Zeit fast eine Ewigkeit zurück. Mir ist aber Vieles noch frisch in der
Erinnerung.
Aufmerksam, sogar gespannt, folgten nacheinander drei Klassen mit jeweils neunzehn jungen Zuhörern
meinen Ausführungen. Folien auf einem Overheadprojektor zeigten, was im Krieg und danach mein Leben
und das vieler Mitmenschen bestimmt hatte. Anhand eines Eies und eines Apfels wurde verdeutlicht, wie
wenig es gelegentlich bedarf, um etwas Licht in ein düsteres Dasein zu bringen.
Besonders erfreute mich, dass an einer Vorlesung auch Frau Elisabeth Iversen teilnahm. Die ehemalige
Lehrerin an der Pestalozzi- Schule in Altona hatte dort viele Jahre nach dem Krieg unterrichtet. Nach
meinem Eindruck wird sie von ihren ehemaligen Schülern, inzwischen alle schon pensioniert, geradezu
verehrt. Zum neunzigsten Geburtstag der Pädagogin machten ihre Ehemaligen der sehr munteren Dame
ihre Aufwartung. Frau Iversen hatte mein Buch „Reiseziel Heimkehr“ erhalten, was sie veranlasste, Kontakt
mit mir aufzunehmen. Ich bin sehr froh über unseren interessanten Briefwechsel, der sich ergab. Als
besonders anregend und informativ erwiesen sich unsere Gespräche, die wir, auch meine Frau nahm
daran teil, nach den Vorträgen in einem gemütlichen Café in Blankenese führten. Amüsiert stellten wir fest,
dass Frau Iversen ja beinahe auch meine Lehrerin hätte werden können, weil nach unserer Ausbombung in
der Großen Bergstraße meine Familie und ich eine Zeitlang gegenüber der Pestalozzi-Schule sehr
behelfsmäßig untergekommen waren. Gerne würde ich mich heute als ehemaliger Schüler von Frau
Iversen bezeichnen dürfen. Aber es kam anders.
Schon 1944 erhielt unsere Familie, die allmählich auf fünf Personen anwuchs, ein sogenanntes
Schwedenhaus von zwanzig Quadratmetern. Unser Leben, jahrelang ohne Wasseranschluss und
Elektrizität, gestaltete sich zeitweise recht schwierig, ebenso wie Mangel an sonst allem. An die dreißig
Holzhäuser wurden auf dem Iserbrooker Sportplatz aufgestellt und von ausgebombten Seemannsfamilien
bezogen. Die örtliche Jugend ließ uns gelegentlich hören, wie sie über den Verlust ihres Spielfeldes dachte.
Neben dem Sportplatz, auf dem wir nun wohnten, befand sich eine tiefe Kiesgrube. Eines Tages, kurz
nach der Währungsreform, fuhren klapprige Lastwagen riesige Mengen Trümmerschutt heran und füllten
die Grube auf. Vielleicht war auch etwas aus Altona dabei. Den Rest besorgten gewaltige Walzen. Dann
begannen Bauarbeiten. Im September 1949 wurde die Schule Iserbrook eingeweiht. Ich war dabei als einer
der ersten Schüler in der ersten Schule, die in der Nachkriegszeit in Westdeutschland errichtet wurde.
Die heutigen Schüler toben fröhlich auf dem Schulhof herum - auf den Trümmern der Vergangenheit. Ich
hoffe, dass ich ihnen ein Empfinden für das Glück vermitteln konnte, in Frieden aufwachsen zu können.
Am nächsten Tag hielt ich in der Schwedischen Seemannskirche, Ditmar-Koel-Straße, vor „Schweden-
Hamburgern“ einen Vortrag über Altona in der Kriegszeit. Das Interesse war groß; mehrere hatten bereits
meine Erinnerungen gelesen. Tatsächlich gibt es in der Kirche ein sehr informatives Buch über die
Kriegserlebnisse einer schwedischen Lehrerin, Ragna Norström, in Hamburg.
im April 2016 Martin Klumbies